Yarrawa lebte in einem der größten Tribes (Stämme) des Outbacks. Sie war 20 und sie hatte eine Vision. Eine Vision, die gegen alle Regeln der "dreamtime" verstieß. Alle ihre Freundinnen waren jetzt zusammen mit ihren Partnern. Ein paar hatten schon Kinder bekommen, andere waren Gärtnerinnen und Sammlerinnen geworden. Jede Frau hat ihre Aufgabe. So war das Gesetz der dreamtime. So wird der Tribe überleben. Nur sie nicht. Aber sie hatte einen Traum.
Eines Tages ging sie ganz allein in den Busch. Ihr Ziel war Ulluru, der heilige Platz. Sie wollte endlich herausfinden, was ihr Traum bedeutet und was sie mit dem Rest ihres Lebens machen soll. Sie ging den Weg entlang. Den Weg kannte sie ganz gut. Sie konnte fast jeden Baum, jeden Strauch, jeden Stein riechen, ja sogar spüren, aber sehen konnte sie nichts. Sie war von Geburt an blind.
Plötzlich hörte sie, wie jemand aus dem Busch kam.
"Yarrawa, wo gehst du hin an diesem wunderschönen Tag, so ganz allein?"
Es war Yarrabindi oder das Mädchen mit den neun Zehen. Sie war ein Ngangkari aus der dreamtime und Yarrawa hatte sie nur einmal in ihrem Leben getroffen. Sie war damals 13 Jahre alt und hatte ihre Eltern bei einem Buschfeuer verloren.
Yarrabindi sagte ihr damals, dass sie ab jetzt allein sein werde, aber vor allem sollte sie nur das machen, was für sie stimmt.
"Ich höre dich, Yarrabindi. Bist du gekommen, um mir wieder so einen tollen Rat zu geben wie damals? Oder willst du mich begleiten nach Ulluru?"
"Ich will beides." sagte sie.
Sie gingen zusammen Richtung Ulluru, dem größten Stein der Welt.
Yarrabindi sagte "Und, meine Freundin, weißt du jetzt, was du willst?"
Yarrawa antwortete "Ja! Immer noch dasselbe wie damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich möchte Künstlerin werden!"
"Wie meinst du das genau?" fragte Yarrabindi.
"Ich möchte mit rotem, ockerfarbenem und gelbem Lehm und Sand leuchtende Kunstwerke erschaffen."
"Aber das dürfen nur Männer und noch dazu bist du blind. Wie willst du das machen?"
Yarrawa sagte. "Du hast damals gesagt, ich sollte nur das tun, was für mich stimmt. Und das ist, was ich will!"
"Wann genau willst du anfangen, meine junge Freundin?"
"Morgen bei Sonnenaufgang. Ich habe einen Platz am Billabong gefunden, nur zwei Kilometer von unserem Camp entfernt. Da gibt es viel Lehm und Sand und dazu Bäume mit dicker Rinde, die ich als Farbträger benutzen kann. Und ich brauche meine Augen nicht, ich habe meine Hände, meine Nase, meine Ohren. Ich folge einfach meinem Herzen."
"Toll!" rief das Mädchen mit den neun Zehen. "Aber wie willst du deinem Tribe beibringen, dass du das darfst?"
"Ich werde Ulluru malen."
"Das heißt, du malst einen riesigen Findling, den du niemals gesehen hast. Du weißt nicht mal, welche Farben er hat. Wie willst du das machen?"
"Ich werde das tun, was du mir damals gesagt hast. Ich werde meinem Herzen folgen."
Plötzlich war Yarrawa allein. Sie wusste, dass sie vor Ulluru stand. Sie stand still. Sie hörte, sie roch, sie schmeckte und fühlte stundenlang, bis sie überzeugt war, dass sie alle "Songlines“ (Energieschwingungen) des heiligen Findlings verstanden hatte.
Am nächsten Tag ging sie an den Billabong und mischte Sand, Lehm und Ocker Pigmente mit Wasser und Asche. Dann ging sie zu einem riesigen Baum und schnitt vorsichtig ein riesiges Stück Rinde ab. Sie malte ihre Vision stundenlang bis es dunkel wurde. Dann schlief sie ein. Am nächsten Tag malte sie weiter und weiter und nach sieben Tagen wusste sie, dass das Bild fertig war.
Sie ging zurück zu ihrem Tribe, das Bild zusammengerollt unter ihrem Arm.
Sie rief laut und deutlich: "Ich rufe den Ältestenrat! Es gibt eine Entscheidung, eine Entscheidung fürs Leben!" Der Ältestenrat trat vor. Drei weise Männer und drei weise Frauen. Sie schauten die junge Frau sehr skeptisch und misstrauisch an.
Yarrawa nahm ihr Kunstwerk und rollte es auf dem Boden aus.
Der Ältestenrat starrte auf das, was da vor ihren Füßen lag. Es war Ulluru - mit jeder Farbnuance genau getroffen. Jeder Schatten, jeder Riss und jede Form so genau gemalt, dass man sich fast vorstellen konnte, dass es der wirkliche Ulluru war.
Der Älteste nahm das Kunstwerk vom Boden und hielt es hoch, sodass alle es sehen konnten und rief: "Dies ist ein Kunstwerk, geschaffen von einer wahren Künstlerin und diese Künstlerin ist ab jetzt und für den Rest ihres Lebens die Person, die unsere Geschichte malen wird. Sie hat die Fähigkeit wahrzunehmen, was diese Welt in Wirklichkeit ist. Eine Welt gefüllt mit Farbe, Formen, Schatten und Licht, die man nicht mit den Augen sehen, sondern nur mit dem Herzen fühlen kann."
Yarrawas Augen waren mit Tränen überflutet.
Yarrawa ist ihrem Herzen gefolgt. Gegen alle Äußerungen aus der Umwelt hat sie auch die ihr körperlich auferlegten Grenzen überschritten. Oder kann eine Blinde malen? Überschreiten Sie auch Ihre Grenzen, nehmen Sie sich Yarrawas Geschichte zu Herzen. Manifestieren Sie Ihr Leben, wie Sie es sich wünschen.
(Eine Geschichte aus meinem Buch "Fühl dich gesund")
Ray Wilkins
The Carrot Lady, Ray Wilkins.
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